Kraft-Wärme-Kopplung und Einsatzoptimierung / Cheng-Cycle-Anlage Garching
Der Campus der TU München in Garching wird seit 1960 über ein Heißwassernetz mit Wärme versorgt. Da von Anfang an geplant war, den Standort Garching auszubauen, war sowohl das Heißwassernetz als auch das Heizwerk für eine Erhöhung der Versorgungsleistung vorbereitet worden. Die Stromversorgung erfolgte zunächst vollständig über das öffentliche Netz.
Durch den Neubau der Fakultät Maschinenwesen wurde für den Wärmeleistungsbedarf des Campus eine Steigerung um ca. 5 MWth erwartet. Da der prognostizierte Gesamtwärmebedarf damit während 6000 h/a über 5 MWth lag, hat sich schon aufgrund grober Abschätzungen der wirtschaftliche Einsatz einer KWK-Anlage angedeutet. Der für die Wirtschaftlichkeit entscheidende Wärmebedarfssockel während der Sommerzeit kann im wesentlichen mit der Kälteerzeugung über Absorptionskältemaschinen und dem ganzjährigen Betrieb der Mensa erklärt werden. Parallel dazu konnte von einer entsprechenden Erhöhung des Strombedarfs ausgegangen werden, wobei auf der elektrischen Seite gleichzeitig eine Erweiterung der Notstromversorgung zwingend erforderlich war.
Bei der Kraft- Wärmekopplung ermöglicht die Kombination von Gasturbine und Dampfturbine in GUD Anlagen aufgrund der Temperaturniveaus der Wärme zu- und Wärmeabfuhr hohe thermische Wirkungsgrade. Allerdings erkauft man sich diesen Vorteil um den Preis einer Zunahme der Anlagenkomplexität einschließlich erhöhtem Bedien- und Wartungsaufwand und höherer spezifischer Anlagekosten.
Bei kleinen Leistungen verbindet der Cheng Cycle in idealer Weise die Vorteile eines vergleichsweise einfachen Aufbaus mit der angestrebten Flexibilität (2 Freiheitsgrade) bei einem guten Wirkungsgrad. Für die Erweiterung der Wärme- und Stromversorgung am Campus in Garching hat sich der Cheng Cycle als aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten am besten geeignete Ausbauvariante erwiesen, vorausgesetzt, das vorhandene Potential aus einer flexiblen Fahrweise kann genutzt werden. Dadurch wurde aus dem Heizwerk Garching ein Heizkraftwerk HKW.
Der Cheng- Cycle- Prozeß
Ausgangspunkt für das Verständnis der Schaltung ist die einfache Gasturbine mit nachgeschaltetem Abhitzedampferzeuger. Im Abhitzedampferzeuger werden die etwa 550°C heißen Rauchgase der Gasturbine abgekühlt, wobei der Energieinhalt zu Erwärmung, Verdampfung und ggf. Überhitzung von Wasser eingesetzt wird, das wiederum in einem Heizsystem oder als Prozeßwärme zu Einsatz kommt. Im Betriebskennfeld Fig. 1 wird der bisher beschriebene Vorgang die durch mit den Punkte 1 und 2 gekennzeichnete Gerade wiedergegeben.
Fig. 1 Betriebskennfeld des HKW-Garching
Das Besondere am Cheng Cycle besteht in der Option, den produzierten Dampf wahlweise auch in die Gasturbine zu injizieren und über den höheren Massenstrom die elektrische Leistung zu erhöhen, wobei die Verdichterleistung weitgehend konstant bleibt. Im Betriebskennfeld ist der Vorgang der elektrischen Leistungszunahme durch Dampfinjektion mit der Geraden 2-3 begrenzt. Sämtliche Kombinationen von elektrischer zu thermischer Leistung innerhalb des Kennfeldes sind realisierbar und begründen die Flexibilität des Cheng Cycles. Der eingedüste Dampf steht natürlich nicht mehr als Heiz- bzw. Prozeßwärme zur Verfügung. Ausgehend von Vorgehensweise ist auch die Bezeichnung STIG für Steam Injected Gas Turbine für den Cheng Cycle gebräuchlich.
Das Betriebskennfeld der Garchinger Anlage dokumentiert die erzielbare Flexibilität. Die elektrische Leistung beträgt bei minimaler Dampfinjektion 4 MWel bei einem elektrischen Wirkungsgrad von 29% und einem Gesamtwirkungsgrad von 76% (Tabelle 1). Durch eine Erhöhung der Dampfinjektion von 1,5 t/h auf 9,8 t/h steigt die elektrische Leistung auf 6 MWel. Der elektrische Wirkungsgrad hat nun mit 37% nahezu die gleiche Größe wie der Gesamtwirkungsgrad, da fast keine thermische Leistung mehr bereitgestellt werden kann. Die von der Cheng Cycle Anlage nicht erzeugte Wärme wird über die nachgeschalteten Großwasserraumkessel bereitgestellt.
Cheng | cycle | Cheng | cycle+ | |
---|---|---|---|---|
Dampfinjektion | 1.5 t/h | 9.8 t/h | 1.5 t/h | 9.8 t/h |
Stromerzeugung | 4 MWe | 6 MWe | 4 MWe | 6 MWe |
Wärmeerzeugung | 6.5 MWth | 0.5 MWth | 43 MWth | 37 MWth |
El. Wirkungsgrad | 29% | 37% | 29% | 37% |
Gesamtnutzung | 76% | 40% | 86% | 76% |
Tabelle1 : Technische Daten des HKW-Garching
ONLINE-Steuerung
Um einen möglichst wirtschaftlichen Betrieb zu ermöglichen wurde ein ONLINE - Steuerungssystem im HKW Garching installiert, welches die Einsatzstrategie mittels eines neuronalen Netzes ins bestehende Leitsystem integriert. Über Optimierungsrechnungen ermittelte Strategien können so auf die Betriebsführung der Anlage nach dem Closed Loop-Verfahren angewandt werden. Dies ermöglicht automatisch, je nach Betriebszustand, in Abhängigkeit zu den bestehenden vertraglichen Bedingungen die Anlage strom- und/oder wärmegeführt zu betreiben. Bei wärmegeführtem Betrieb können so gleichzeitig Strombezugsspitzen abgedeckt werden. Dies wird durch die Liberalisierung des Strommarktes heutzutage immer wichtiger, da somit Versorgungsverträge unter Berücksichtigung der Anlagenflexibilität anders gestaltet werden können. Ein Höchstmaß des Einsatzpotentials der Anlage kann somit wirtschaftlich ausgenutzt werden. Hierdurch konnten die Energieversorgungskosten des Forschungskomplexes in Garching merklich reduziert werden. Der dargestellte Lastgang der Strom- und Wärmeversorgung zeigt den Einsatz der Cheng Cycle Anlage in den letzten 12 Stunden.
Weitere Untersuchungen an der Cheng-Cycle Anlage
- Vergleich von Einsatzstrategien und geänderten Vertragsbedingungen (Dipl.-Phys. Henle)
- Untersuchung der Möglichkeiten der Leistungs- bzw. Wirkungsgradsteigerung durch Nachrüstmaßnahmen wie z.B. Zusatzfeuerung, Luftkühlung...(Dipl.-Ing. Prelipceanu)
- Einfluß des Dampf-Luft Gemisches auf die thermodynamische Prozeßführung
- Modellierung der Anlage