Vergleich von Software zur thermodynamischen Prozessberechnung
Neben der Tendenz zur Realisierung von immer effizienteren und komplexeren Wasser-Dampf-Kreisläufen wird bei der thermodynamischen Optimierung zunehmend auch die Einbindung weiterer Prozesse, z.B. Einbindung des Gasturbinenprozesses bei GuD-Anlagen, notwendig. Unterstützt wird diese Entwicklung von einer Vielzahl kommerziell verfügbarer Programme (Softwarepakete), die durch die Bereitstellung grafischer Benutzeroberflächen die Anwendung wesentlich erleichtern. Allerdings zeigt die Erfahrung der letzten Jahre, daß die Ab- bzw. Nachbildung von Kreisläufen trotz der Verwendung dieser grafischen Benutzeroberflächen oft Probleme bereitet.
Um eine transparente Übersicht über kommerziell angebotene Programme zu erhalten, hat sich der Arbeitskreis "Thermodynamik" der VGB Technischen Vereinigung der Großkraftwerksbetreiber e.V. dazu entschlossen, testen und durch spezielle Kriterien beschreiben zu lassen. Mit dem vorliegenden Forschungsvorhaben "Vergleich von Software zur thermodynamischen Prozeßrechnung" wurden die Technische Universität Graz (Institut für Wärmetechnik IWT, Vorstand Prof. Beate Reetz) und die Technische Universität München (Lehrstuhl für Energiesysteme (ehemals. Thermische Kraftanlagen mit Heizkraftwerk LTK), Vorstand Prof. Dietmar Hein) beauftragt.
Eckdaten des Projektes
Titel: | Vergleich von Software zur thermodynamischen Prozeßrechnung | |
Projektdauer: | 1. Juli 1998 bis 30. September 2000 | |
Bearbeitung: | M. Pogoreutz und I. Giglmayr (IWT) sowie J. Karl und M. Nixdorf (LTK) | |
Projektziele: | · | Feststellung der Eignung von Programmen (Software) zur thermodynamischen Berechnung und Auslegung von Neuanlagen einerseits und Abbildung (Simulation) von Kraftwerksprozessen andererseits. |
· | Empfehlungen zur Programmnutzung, Hilfestellung zur Auswahl von Programmen zur Neuplanung oder zur Verbesserung des Betriebsverhaltens existierender Anlagen. | |
· | Empfehlungen an die Hersteller zur Weiterentwicklung der untersuchten Programme. |
Art und Weise der Vergleichsdurchführung
Die qualitative und quantitative Leistungsfähigkeit der in Tabelle 1 angeführten Programme war anhand von Bewertungskriterien und eines Referenzfalles zu untersucht, zu vergleichen und zu beurteilen.
Tabelle 1: Liste der getesteten Programme
Num | Programm | Anbieter | Land |
---|---|---|---|
1 | Aspen Plus | Aspen Technology, Inc. | USA |
2 | Cycle Tempo | TNO, Institute of Environmental Sciences | NED |
3 | Ebsilon | Sofbid GmbH | GER |
4 | Gate Cycle | GE Enter Software, Inc. | USA |
5 | GT PRO - GT MASTER - PEACE | Thermoflow, Inc. | USA |
6 | IPSEpro | SimTech Simulation Technology | AUt |
7 | KPRO | CADIS Informationssysteme GmbH | GER |
8 | MASSBAL | Open Models Inc. | CAN |
9 | PEPSE | SCIENTECH, Inc. | USA |
10 | PEPSE GT | SCIENTECH, Inc. | USA |
11 | Proates | POWERGEN, Power Technology | GBR |
12 | Prosim | EnDat Oy | FIN |
13 | STEAM PRO - STEAM MASTER | Thermoflow, Inc. | USA |
14 | Thermoflow | Thermoflow, Inc. | USA |
15 | ThExcel | Ing.-Büro für Energietechnik & Software | GER |
16 | WÄSCHERE | Prof. Dr. techn. Geza Rabek | GER |
Als Referenzfall wurde zunächst eine GuD-Anlage gewählt. Der Zweidruckabhitzekessel mit Fernwärmeauskopplung wurde sowohl im Voll-, als auch im Teillastzustand betrachtet. Da der Referenzfall nicht alle Kraftwerkskomponenten abdeckt (z.B. kohlebefeuerter Dampferzeuger) bzw. zum Teil keine detaillierten Einzelbetrachtungen zuläßt, wurden zusätzlich ausgewählte Kraftwerkskomponenten analysiert.
Zunächst stand die Entwicklung eines Kriterienkataloges im Vordergrund, die sich am Angebot des jeweils untersuchten Programmes orientiert, womit sowohl Anzahl der Kriterien als auch Bewertungsschärfe im wesentlichen während des Bearbeitungszeitraumes variabel und damit anpaßbar blieben. Das heißt, es wurden nicht Kriterien eines fiktiven Idealprogrammes definiert, sondern jedes Kriterium findet sich in mindestens einem der untersuchten Programme bereits verwirklicht. Der Kriterienkatalog, als Grundlage für die Bewertung der Programme, umfaßt derzeit ca. 150 programmspezifische Kriterien mit rund 460 Bewertungsmöglichkeiten und wurde nach Abbildung 1 strukturiert.
Abbildung 1: Struktur des Kriterienkataloges
Für die Vergleichbarkeit von Programmen ist es wesentlich, daß eine einzelne Person die Softwareprogramme bearbeitet und testet. Die Programme wurden jeweils in einem 4-Wochen-Zyklus untersucht. Die abschließende Bewertung der Programme durch diese Personen erfolgte zuerst unabhängig voneinander, wobei für die Bewertung der detaillierten Einzelkriterien individuelle, jeweils optimale Skalen verwendet wurden. Abschließend erfolgte eine Mittelwertbildung mit Konsolidierung bei signifikant unterschiedlichen Bewertungen, wodurch größtmögliche Objektivität und Tiefenschärfe erreicht wurden.
Werden mehrere Programme unter den gleichen Bedingungen getestet und beschrieben, so kann mit der Bewertung entsprechend dem Kriterienkatalog keine Aussage darüber getroffen werden, welches von ihnen nun das absolut höherwertigere darstellt, da ein direkter Vergleich von z.B. wirtschaftlichen Aspekten (wie z.B. Preis der Software) mit programmtechnischen Aspekten (wie sie z.B. im Punkt Qualität/Tiefe der Komponente/Teilsystem beschrieben werden) nicht vorgenommen werden kann.
Daher wurde versucht, mit dem Selektionsprogramm "Quick Select" basierend auf einer Nutzwertanalyse anwenderspezifisch die Fülle der Bewertungskriterien zu lichten. Ein Programmsuchender soll durch Erstellen eines eigenen Anwenderprofils die Wichtigkeit einzelner Programmbeschreibungspunkte für sich selbst festlegen und durch konkrete Ausscheidungskriterien, auch "knock out" Kriterien genannt, die Anzahl der für ihn interessanten Programmpakete einschränken.
Abbildung 2: Verarbeitung der erhobenen Daten mit Auswahlsoftware "Quick Select"
Zusätzlich wurden in einer umfangreichen Beschreibung der betrachteten Programme die Ergebnisse aus einer Telefonumfrage unter ausgewählten Software-Anwendern interpretiert und kommentiert, um damit auch den Herstellern/Anbietern Ansatzpunkte für eine Weiterentwicklung ihres Produktes zu liefern.
Ergebnisse der Evaluierung
Um einen raschen Überblick über die Reihung der Programme unter Zuhilfenahme des entwickelten Auswahlprogrammes "Quick Select" entsprechend ihrer Bewertung zu ermöglichen, wurden 11 Anwenderprofile (siehe Tabelle 2) definiert:
Tabelle 2: Verfügbare vordefinierte Anwenderprofile für die Auswahlsoftware "Quick Select"
Vorplanung | Detailplanung | Abbildung vorhandener Anlagen | |
GuD-Kraftwerke | x | x | x |
konventionelle Kohlekraftwerke | x | x | x |
GuD & konventionelle Kraftwerke | x | x | x |
Sonstige Anwendungen | Ausbildung und Lehre / Forschung |
Nach dem Download (nicht mehr aktiv!) von "Quick Select" können diese vordefinierten Profile geladen werden. Sollten die angegebenen Gewichtungen der einzelnen Kriterien dem individuellen Anwenderprofil nicht entsprechen, so können diese abgeändert werden oder es kann ein eigenes Benutzerprofil erstellt werden, so daß sich die Reihung der Programme neu ergibt.
Schlußfolgerungen und Ausblick
Das Projekt "VERGLEICH VON SOFTWARE ZUR THERMODYNAMISCHEN PROZESSRECHNUNG" vermittelt einen guten Überblick über die im Handel erhältlichen Programme. Eine allgemein gültige Reihung/Empfehlung der Programme kann aufgrund der unterschiedlichen Anforderungsprofile nicht gegeben werden. Das entwickelte Programm "Quick Select" ermöglicht dem potentiellen Anwender ein Ranking für seine eigenen Ansprüche zu erstellen und enthält weitere ausführliche Informationen über die bisher untersuchten Programme (Programmgeschichte, Preise, etc.). Das Projekt wird derzeit weitergeführt, indem vier Softwarepakete die Liste der bislang angeführten Programme erweitern.