Modellentwicklung für Energiesysteme
Für die Modellierung von Energiesystemen werden hauptsächlich mathematische Methoden wie Optimierung zur Bestimmung der kostengünstigsten Energieinfrastruktur und ihres Betriebs verwendet. Eine solche Lösung oder Betriebsstrategie ist natürlich abhängig von bestimmten Randbedingungen der untersuchten Fallstudie. Mathematisch gesehen wird damit das Energiesystem als ein Optimierungsproblem dargestellt, in welchem die Einsatz- und/oder Investitionsentscheidungen als Optimierungsvariablen verwendet werden. Betriebsbedingte Grenzen für Kapazitäten oder Emissionsbegrenzungen stellen die Modellbeschränkungen dar. Die Zielfunktion besteht dabei aus den durch die Entscheidungen des Modells resultierenden Kosten.
Herausforderung und Entwicklungsmöglichkeiten
Optimierungsmodelle: Je nach Schwerpunkt der Analyse stellt das Energiesystemmodell ein entsprechend vereinfachtes Modell der Realität nach. Diese Vereinfachung resultiert nicht nur aus einer mangelnden Datengrundlage oder notwendigen Annahmen, sondern auch aus Begrenzungen, die sich aufgrund der Modellgröße für die Laufzeit und Speichergröße ergeben. Beispielsweise führen sehr detaillierte und hochaufgelöste Energiesystemmodelle zu großen Modellen, was die Variablenzahl und damit die Größe im Speicher erhöht. Solche Probleme können dann nicht mit jedem beliebigen Computer gelöst werden. Auf der anderen Seite führt der Wunsch nach einer detaillierten Modellierung von Betriebsstrategien fossiler Kraftwerke, wie zum Beispiel Startkosten oder Teillastverhalten, zu gemischt-ganzzahligen Optimierungsproblemen, die nur mit Hilfe von aufwendigeren Lösungsverfahren gelöst werden können. Typische Beispiele, um diesen Problemen zu begegnen sind unter anderem der Einsatz von Hochleistungsrechnern, Parallelisierung durch Dekomposition oder auch dynamische Programmierung.
Soziale Modelle: Der Transformationsprozess im Energiesystem führt zu einem wachsenden Anteil an dezentraler Stromerzeugung durch sowohl Haushalte mit Photovoltaik auf Dächern als auch Gemeinden, die in Windparks investieren. Darüber hinaus ergeben sich neue Möglichkeiten zur Flexibilisierung des Strom-/Wärmebedarfs durch intelligenten Betrieb der Haushalte. Diese Faktoren unterstreichen die Bedeutung des Verständnisses von sozialen Aspekten innerhalb der Entwicklung eines Energiesystems, wie die Diffusion neuer Technologien (z.B. Photovoltaik, Elektrofahrzeuge) oder die Reaktion einer Gesellschaft auf politische Veränderungen (z.B. variable Stromtarife, Einspeisevergütungen). Zu diesem Zweck werden verschiedene Modellierungsansätze eingesetzt, einschließlich, aber nicht beschränkt auf multivariate Regression/Ökonometrie, Systemmodellierung und agentenbasierte Modellierung.
Forschung am Lehrstuhl
Wie in vielen anderen Forschungsfeldern, die sich mit der Verarbeitung und Beschaffung von Daten beschäftigen, ist die Nachvollziehbarkeit und Transparenz von Energiesystemmodellen sehr wichtig. Dementsprechend liegt ein Fokus des Lehrstuhls für Erneuerbare und Nachhaltige Energiesysteme bei der Entwicklung quelloffener Programme (beispielsweise urbs als lineares Framework für die Erstellung kostenoptimaler Ausbau- und Einsatzpläne; oder rivus als gemischt-ganzzahliges Framework für Ausbau- und Einsatzplanung von sektorübergreifenden Netzen). Diese werden stetig weiterentwickelt mit Fokus auf neuen Features, höherer Flexibilität, einfacherer Handhabung und effizienterer Ausführung.
Zusammenfassend werden folgende Felder im Rahmen der Energiesystemmodellierung genauer betrachtet:
- Entwicklung von quelloffenen Programmen für die Energiesystemmodellierung
- Intertemporale und dynamische Programmierung
- Dekompositionsmethoden und Parallelisierungsverfahren
- Performance-Analyse diverser Modellierungsbibliotheken und Lösungsverfahren
- PDG (partielle Differentialgleichung)-basierte Optimierung mit Hochleistungsrechnen
- Systemmodellierung (Soziodynamik) sozialer Aspekte von Energiesystemen