H2 Reallabor Burghausen
Motivation
Im Verbundvorhaben H2 Reallabor Burghausen arbeitet der Lehrstuhl für Energiesystem zusammen mit 37 Partnern aus Industrie und Wissenschaft an der Transformation der chemischen Industrie im ChemDelta Bavaria hin zu einer nachhaltigen wasserstoff-basierten Kreislaufwirtschaft. Als „Leuchtturmprojekt“ soll das Vorhaben dazu beitragen die klima- und energiepolitischen Ziele Deutschlands zu erreichen und Arbeitsplätze sowie den Wohlstand in der Region zu sichern. Um Wasserstoff als Energieträger und stoffliche Basis in der chemischen Industrie nutzbar zu machen, werden in sieben verschiedenen Arbeitspaketen neue Technologien entwickelt und idealerweise zur Marktreife geführt.
Team
Ziele
Der Lehrstuhl für Energiesysteme beteiligt sich dabei intensiv an der Gesamtkoordination des Vorhabens sowie simulativ und experimentell an vielen der geförderten Arbeitspakete (AP):
AP1: Systemaspekte und Zukunftsplanung
Das Arbeitspaket 1 fokussiert sich auf Energiesystembetrachtungen, um unter Berücksichtigung aktueller und zukünftiger Potenziale energetische Abhängigkeiten und Synergien zu identifizieren und diese in die Systemoptimierung einzuarbeiten. Dabei werden auch die in den anderen Arbeitspaketen entwickelten Containerkonzepte mitberücksichtigt. Als Teil des Arbeitspakets wird eine Energiesystemanalyse des bayerischen Chemiedreiecks auf Grundlage von Industriedaten durchgeführt. Ziel der Modellierung ist die detaillierte Abbildung der Wärme-, Strom- und Stoffflüsse des bayerischen Chemiedreiecks. Die im Anschluss durchgeführte Energiesystemoptimierung beinhaltet eine Szenarien-basierte Machbarkeitsstudie zur 100 % regenerativen Strom- und Stoffbereitstellung. Es werden verschiedene Transformationsszenarien bis 2050 definiert und das Energiesystem unter den jeweiligen Bedingungen optimiert. Mit Hilfe der dabei verwendeten Stützjahre können anschießend mögliche Transformationspfade des bayerischen Chemiedreiecks hin zu einer H2-basierten, nachhaltigen Produktion dargestellt und bewertet werden. Als Grundlage für die Energiesystemoptimierungen dienen überregionale, räumlich aufgelöste Potenzialstudien für Erneuerbare Energien sowie Biomasse und Reststoffe. Des Weiteren werden Untersuchungen zur Etablierung einer Kohlenstoffkreislaufwirtschaft im Chemiedreieck durchgeführt.
AP2: Power-to-Methanol und Carbon Capture und Utilization
Im Rahmen des Arbeitspakets 2 wird eine innovative Power-to-Methanol Containeranlage entwickelt, die einen signifikanten Beitrag zur nachhaltigen Chemieindustrie leisten soll. Die Anlage zeichnet sich durch die Kopplung einer Aminwäsche an eine Rückstandsverbrennung aus, um effektiv CO2 abzutrennen und zu nutzen. Durch die Kombination des abgeschiedenen CO2 mit Wasserstoff, der aus einer Elektrolyse gewonnen wird, wird Methanol produziert. Dieses Methanol dient als vielseitig einsetzbare Grundchemikalie, die in verschiedenen industriellen Prozessen verwendet werden kann. Der Prozess wird in Aspen Plus simuliert, was die Grundlage für das Detailed Engineering bildete und somit den Weg für die Bestellung der ersten Anlagenkomponenten ermöglicht. Mit dieser fortschrittlichen Anlage wird ein wichtiger Beitrag zur Schließung des Kohlenstoffkreislaufs geleistet, was einen Meilenstein in Richtung nachhaltiger Energie- und Chemieproduktion darstellt.
AP3: Sustainable Aviation Fuels
Im Arbeitspaket 3 wird ein neuartiges, biotechnologisches Verfahren zur Herstellung von nachhaltigen Flugtreibstoffen aus biogenen Reststoffen experimentell und simulativ untersucht. Die Erreichung der Klimaziele bezüglich der Reduzierung der globalen CO2-Emissionen stellt im Flugverkehr eine große Herausforderung dar, da die Elektrifizierung von Flugzeugen wegen der hohen Energiedichten von herkömmlichen Kraftstoffen sehr schwierig ist. Biogene Treibstoffe, die fossiles Kerosin direkt substituieren können, sind deshalb eine geeignete Alternative. Im betrachteten Prozess wir zunächst in einem Fermentationsprozess Hefeöl aus Strohhydrolysat gebildet, wobei CO2 als Koppelprodukt entsteht. CO2 wird dann gemeinsam mit Wasserstoff aus Elektrolyse in einer weiteren Fermentation zu Essigsäure umgewandelt, die als Edukt für die Hefeöl-Fermentation direkt eingebunden werden kann. Das Hefeöl wird thermokatalytisch in Treibstoffe umgesetzt. Die experimentellen Untersuchungen der Teilprozesse werden an der TUM vom Lehrstuhl für Bioverfahrenstechnik, Werner Siemens Lehrstuhl für Synthetische Biotechnologie und Lehrstuhl für Technische Chemie II übernommen. Der Lehrstuhl für Technische Chemie II und der Lehrstuhl für Energiesystem übernehmen die simulativen Arbeiten in Aspen Plus, wobei der Fokus am LES auf dem techno-ökonomischen Vergleich der biochemischen Route mit alternativen Pfaden wie Fischer-Tropsch Synthese oder Methanol-to-Jet liegt. Das Ziel dabei ist immer die einzelnen Teilprozesse beruhend auf experimentellen Daten möglichst realitätsnah zu modellieren.
AP4: Kreislaufwirtschaft und Reststoffnutzung
Das Arbeitspaket 4 beschäftigt sich allgemein mit der Kreislaufwirtschaft und Reststoffnutzung in Form von chemischem Recycling komplexer Reststoffen (z.B. chlorhaltige Reststoffe, Polymeren, Klärschlamm) und deren stoffliche Verwertung hin zu einer Kreislaufwirtschaft mit geschlossenem Kohlenstoffkreislauf. Neben simulativen Betrachtungen alternativer thermochemischer Prozesse, wird eine Pilotanlage im Containermaßstab mit Kombiverfahren errichtet. Sowohl die in der Drehrohrpyrolyse entstehende Gasphase als auch der feste Pyrolysekoks sollen dabei mithilfe einer Plasma-Flugstromvergasung in ein H2-reiches Synthesegas umgesetzt werden. Durch die Kombination von Pyrolyse und Plasma-Behandlung entsteht ein variables System, das die Behandlung eines großen Einsatzstoffspektrums mit hoher Kohlenstoffeffizienz ermöglicht und bei geeignetem biogenen Substrat CO2-negatives Synthesegas erzeugen kann. Zudem werden simulationsbasierte Untersuchungen alternativer thermo(chemischer) Prozesse zur Klärschlammverwertung mit anschließender CO2-Nutzung wie Oxyfuel-Verbrennung, Pyrolyse und Vergasung durchgeführt und mit dem Status-Quo der Wirbelschichtverbrennung verglichen. Ziel ist die Identifikation einer besonders geeigneten Prozessroute zur stofflichen Klärschlammnutzung für eine mögliche Realisierung im Chemiepark Gendorf.
AP6: CO2-Direktelektrolyse zu grünem Ethylen
In Arbeitspaket 6 soll die CO2 Direktelektrolyse (CODE) zu Ethylen experimentell untersucht und anhand der experimentellen Daten sinnvoll modelliert werden. Ethylen ist eine der wichtigsten Plattformchemikalien der chemischen Industrie, welche heute fast ausschließend aus Raffinerieprozessen gewonnen wird. Für das Erreichen einer „grünen“ Chemie ist eine alternative Bereitstellung aus nachhaltigen Prozessrouten notwendig. Die Direktelektrolyse von CO2 und H2 zu Ethylen bietet hierbei den Vorteil der Frugalität und hohen Selektivität gegenüber den meisten Alternativen, zudem ist eine bessere Skalierbarkeit zur Bereitstellung aus biogenen Quellen gegeben. Der Lehrstuhl für Energiesysteme übernimmt in diesem Projektteil die Prozessmodellierung und den techno-ökonomische Vergleich der CODE Route mit alternativen Routen zur nachhaltigen Herstellung von Ethylen.
AP7: Produktion von Wasserstoff an einer CO2-negativen Biogasanlage
Die Forschung und Entwicklung im Arbeitspaket 7 setzt auf einen innovativen Ansatz, der negative und positive Regelleistung für das Stromnetz bereitstellt, Methan zur Einspeisung in das Gasnetz einführt und nachhaltig produzierte Grundchemikalien wie Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid für die Chemieindustrie bereitstellt. Der Lehrstuhl für Energiesysteme und Industriepartner arbeiten daran, die Technologie voranzutreiben und als flexible Containerlösung umzusetzen. Die Technologie basiert auf der reversiblen Festoxidzelle, die bei hohen Temperaturen arbeitet und einen reversiblen Betrieb zwischen Brennstoffzellen- und Elektrolysebetrieb in kurzer Zeit ermöglicht. Ebenfalls ist auch die Co-Elektrolyse neben der Wasserelektrolyse, um Syngas oder Methan zu produzieren, möglich. CO2 Abtrennung erfolgt über eine CCU/S Anlage. Die chemischen Produkte der Anlage können verkauft oder als chemischer Energiespeicher verwendet werden. Die Containeranlage wird für die Effizienz- und Wirtschaftlichkeitssteigerung, sowie Klimapositivität von Biogasanlagen optimiert und das übergeordnete Ziel besteht darin, dass die Gesamtanlage ein Technology Readiness Level (TRL) von 7 erreicht, was einer betriebsbereiten Demonstrationsanlage entspricht, die die Funktionalität des Systems bestätigt und weitere Optimierungen des Betriebs ermöglicht.
Fördergeber
Das Projekt H2 Reallabor Burghausen wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unter dem Förderkennzeichen 03SF0705B gefördert.
Projektpartner
- Technische Hochschule Rosenheim
- Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg
- Bauhaus Luftfahrt
- Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V.
- Akkodis Germany Tech Experts GmbH
- Carbon CO2ncepts GmbH
- CASCAT
- ESy-Labs GmbH
- InfraServ GmbH & Co Gendorf KG
- Kraftanlagen Energies & Services GmbH ECM Ingenieur-Unternehmen für Energie- und Umwelttechnik GmbH
- Landwärme GmbH
- OMV Deutschland GmbH (Assoziierter Projektpartner)
- PlasmaAir AG
- Reverion GmbH
- Rohrdorfer / Südbayerisches Portland – Zementwerk Gebr. Wiesböck & Co. GmbH
- Wacker Chemie AG
- Westlake Vinnolit GmbH & Co. KG