Anwendungen der Nukleartechnologie
Die analytische Forschung des Lehrstuhls für Nukleartechnik wird auf der Entwicklung und dem Gebrauch von komplexen Computerprogrammen basieren, die das Verhalten eines nuklearen Systems untersuchen, d.h. die physikalischen Prozesse die in einem solchen System ablaufen, sowie deren Interaktionen untereinander. Solche nuklearen Systeme können Kernkraftwerke, Bestrahlungsanlagen oder experimentelle Partikel-Quellen sein. Dieses Themengebiet stellt einen essentiellen Teil in der Kerntechnik dar und durch die gesamte Entwicklung der Branche hinweg war es immer schon ein Thema, sowohl in der angewandten, als auch in der Grundlagenforschung. Die Computerprogramme decken die Hauptfelder der Kernforschung und der Kernsicherheit ab und beschäftigen sich mit der Thermo-Hydraulik, dem Neutronenverhalten und dem Stofftransport. Zusätzlich wurde das Handwerkszeug des Kerntechnik-Ingenieurs durch die Einführung von probabilistischen Techniken im Bereich der Sicherheitsanalyse erweitert und vergrößert damit die Anwendbarkeit von deterministischen Programmen in der Nukleartechnik. In diesem Zusammenhang können diese probabilistischen Rechenwerkzeuge dazu genutzt werden um den Zustand eines Systems im Falle eines anormalen Betriebsverhaltens zu verfolgen. Sie simulieren dabei dynamisch in einer parallel berechneten Umgebung die möglichen Ereignispfade, die sich in so einem komplexen System entwickeln können, abhängig vom physikalischem Zustand, dem Eingriff des Betreibers und dem Eingreifen des automatischen Kontrollsystems, welches versucht das anormale Betriebsverhalten zu regulieren.
Die thermo-hydraulische Systemverhaltensanalyse basiert zurzeit auf dem Einsatz sogenannter System-Analyse-Programme (TRACE, RELAP-5, etc.). Diese beschreiben die Entwicklung des Systems indem sie die Zwei-Phasen-Erhaltungsgleichungen (Gas und Flüssigkeit) für ein- und mehrdimensionale Strukturen lösen, zum Beispiel die eines Kernkraftwerks. Eine Reihe von Modellen, welche die physikalischen Prozesse beschreiben, die den grenzflächigen Wärme- und Massenaustausch in der Zwei-Phasenströmung (z.B. Kondensation, Verdampfung, Sieden und kritischer Wärmefluss) oder auch die Wechselwirkung der verschiedenen Phasen mit Festkörpern vorantreiben, vervollständigt die numerische Simulation und kann das Verhalten eines kerntechnischen Systems unter normalen und anormalen Betriebsbedingungen simulieren. Die Entwicklung und Validation von neuen und besseren Modellen und Lösungsschemen sind Gegenstand der aktiven Forschung. Anhand von den verfügbaren Daten der experimentellen Versuchsanlagen, werden die Vorhersagefähigkeiten der Computerprogramme verbessert.
Angewandte Forschung, basierend auf dem Umgang mit System-Analyse-Programmen basiert, die in der Industrie mit einer guten Gesamtleistung weitgehend eingesetzt werden, stellt einen wichtigen Teil der Aktivitäten des Lehrstuhls dar. Jedoch wird ein zukünftiger Trend in der kerntechnischen thermo-hydraulischen Modellierung auch die Anwendung von CFD-Programme und Techniken beinhalten. Diese lösen lokale physikalische Phänomene besser auf, während sie zur gleichen Zeit die makroskopische Entwicklung eines nuklearen Systems, die aus der Wechselwirkung eben dieser lokalen physikalischen Phänomene resultiert, simulieren. CFD-Programme, wie CFX, benötigen riesige Mengen an rechnerischer Leistung. Diese nimmt wesentlich mit der Größe des zu analysierenden Systems zu; bis hin zu dem Punkt, dass eine transiente Simulation eines ganzen Kraftwerks an einem einzelnen Rechner noch nicht möglich ist, sondern, dass mehrere parallel arbeitende Supercomputer und vernetzte Workstations benötigt werden. Hinzu kommt, dass aufgrund der Entwicklungen bei den Kapazitäten der mehr-phasigen CFD-Programme ebenso zum Forschungsthema werden und aufgrund der komplexen Charakteristiken der Gas-Flüssigkeits-Transport -Phänomene gleichermaßen wesentliche Rechenleistungen erfordern. Solche komplexen CFD-Programme könnten die heutigen Modelle der System-Analyse-Programme sogar ersetzen. Einen Zwischenschritt beim Einsatz der System-Analyse-Programme und CFD-Werkzeuge stellt die Möglichkeit der Kombination dieser beiden Programmarten dar. Die detaillierteren Simulationsfähigkeiten eines CFD-Werkzeuges würden hier an jenen Stellen des Systems zum Einsatz kommen, in denen die entscheidenden physikalischen Prozesse stattfinden, während das restliche System mit einem gröberen und rechnerisch effizienteren System-Analyse-Programm simuliert wird. Schlussendlich, können CFD-Lösungen spezieller physikalischer Phänomene als Benchmark für weniger detailreiche, aber schneller zu berechnende Modelle der System-Analyse-Programme herangezogen werden. In dieser Hinsicht ist von weiterem Interesse, gezielt Wechselwirkungen zwischen Flüssigkeitsstrukturen darzustellen zu können. Diese Wechselwirkungen sind das Ergebnis von Systemtransienten, in welchen Druckwellen von unterschiedlichen physikalischen Phänomenen (schnelle Kondensation, schnelle Druckabsenkung, etc.) erzeugt werden. Mit einer kombinierten Analyse aus CFD-Programmen (oder System-Analyse-Programmen) und Strukturanalyseprogrammen, wie ANSYS, kann die Untersuchung der Sicherheitsrelevanz solcher Ereignisse kann stark unterstützt werden. Der Lehrstuhl plant solche Kapazitäten in Zukunft aufzubauen um diese Art von Ereignissen zu untersuchen. Dabei sollen die allerneuesten Methoden, basierend auf diesen Programmen und Ansätzen, verwendet, notfalls sogar entwickelt, werden. Solche komplexen und rechenintensiven Probleme werden am Besten in einer Multi-Prozessor-Umgebung durchgeführt. Letztendlich sind beide thermo-hydraulischen Werkzeuge sehr wichtig und werden für die Planung und für die Gestaltung von Versuchsanlagen und zur Ergebnisauswertung verwendet.
Zum Bestimmen des Neutronenverhaltens eines kerntechnischen Systems, plant der Lehrstuhl komplexe Computerprogramme für die Neutronendiffusion und den Neutronentransport zu verwenden (SIMULATE, PARCS, DYN3D, etc.), welche den Neutronenausgleich im stationären und im instationären Zustand, sowie im mikros- als auch im makroskopischen Bereich auflösen können. Fortgeschrittenere Methoden wenden deterministische Transporttechniken an, die am Effektivsten in parallel rechnenden Umgebungen arbeiten. Das Zusammenspiel der Neutronensimulation eines Kernreaktors und der thermo-hydraulischen Beschreibung eines Systemanalyseprogramms oder sogar fortgeschrittener CFD-Programm kann das Rückkopplungsverhalten detailiert auflösen, welches zu Leistungsoszillationen, Reaktivitätssteigerungen und Brennmaterialschäden führen kann. Für die Entwicklung, die Validation und die Anwendung von solchen Methoden sind auch hier die Verfügbarkeit und der Gebrauch von parallel rechnenden Umgebungen von größter Bedeutung.
Angelehnt an den Stofftransport, wird der Lehrstuhl Monte-Carlo Partikel-Transport-Programme (MCNP, PENELOPE, etc.) oder deterministische Transportprogramme (PENTRAN, etc.) einsetzen, die zur Untersuchung von breitgefächerten Themengebieten hergezogen werden können. Angefangen bei der Kritikalität von nuklearen Konfigurationen, dem Neutronen-Einfluss auf Reaktorkomponenten, über Strahlenschutz bis hin zu biologischen Effekten von Strahlung. Solche Programme werden heute fast ausschließlich in parallelen Mehrprozessorsystemen ausgeführt.